Andreas Michael Giselbrecht und Stephanie Ristig-Bresser sind beide langjährige Aktive der Gemeinwohl-Ökonomie.
Andreas Michael Giselbrecht engagiert sich seit 2012 ehrenamtlich in diesem Feld und arbeitet seit 2014 als Mitarbeiter für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit im Büro des
Gründungsvereins zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie in Wien. Stephanie Ristig-Bresser engagiert sich in der
Gemeinwohl-Ökonomie Regionalgruppe Hannover, wirkt im
Arbeitskreis Kommunikation der Bewegung mit und ist Mitglied des Vorstands des Wiener
Gründungsvereins zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie.
Die Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung hat ein Wirtschaftsmodell entwickelt, das das Wohl von Mensch und Umwelt zum obersten Ziel des Wirtschaftens macht
Die
Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ), und mit ihr das Instrument der Gemeinwohl-Bilanzierung, besteht seit fünf Jahren. Sie basiert auf den Inhalten des Buches „Die Gemeinwohl-Ökonomie“ von
Christian Felber (2010), Mitbegründer von
Attac Österreich. Er hat das Konzept gemeinsam mit einigen UnternehmerInnen entwickelt. Mithin ist die Gemeinwohl-Ökonomie also aus der
Attac-Bewegung entstanden. Kernidee ist es, parallel zum momentan einzig maßgeblichen Erfolgsindikator eines Unternehmens, dem Unternehmensgewinn, seine Gemeinwohl-Orientierung messbar zu machen. Damit entsteht ein anderer, werteorientierter Unternehmensfokus: Es zählt nicht der Unternehmensgewinn allein, sondern ob das Unternehmen die fünf zentralen demokratischen Grundwerte Menschenwürde, Solidarität, Gleichberechtigung, ökologische Nachhaltigkeit und Mitbestimmung in seine wirtschaftliche Tätigkeit integriert.
Die Ausgangssituation: Geld, Gewinn und Wachstum als Maß aller Dinge
Die maßgeblichen Indikatoren für ein erfolgreiches Unternehmen und eine erfolgreiche Volkswirtschaft sind in unserem heutigen Wirtschaftssystem rein monetärer Natur: Wenn ein Unternehmen schwarze Zahlen einfährt, wenn die Volkswirtschaft wächst, ist alles gut. In diesem Sinne erfolgreiche Unternehmen erhalten von Banken eher Kredite und Zuschüsse, sie haben in der Regel größere finanzielle Spielräume – und können weiter wachsen. Dabei ist es zunächst völlig egal,
wie ein Unternehmen seine Gewinne erwirtschaftet, ob etwa das Unternehmensklima gut ist, wie das Unternehmen seine LieferantInnen behandelt, ob das Unternehmen achtsam mit den Ressourcen unseres Planeten umgeht, sich in seiner Stadt engagiert und Geld für wohltätige Zwecke spendet oder ob es Steuern vermeidet (obwohl es ja eigentlich von den Rahmenbedingungen seiner Kommune profitiert).
Die heutige, rein am Gewinn orientierte Wirtschaftspraxis führt unter anderem zu folgenden Ergebnissen und Handlungsmustern: wachsende Ungleichheit, Konkurrenz, Leistungsdruck, Preiskämpfe, Verwendung der natürlichen Ressourcen, als wären sie unendlich verfügbar, und die Verlagerung der Produktion, um Güter noch günstiger produzieren zu können.
Auch Volkswirtschaften haben erkannt, dass es anderer Indikatoren bedarf, um Wohlbefinden und Wohlstand einer Gesellschaft widerzuspiegeln. So setzte der Deutsche Bundestag im Jahr 2010 die Enquete-Kommission
Wachstum, Wohlstand und Lebensqualität ein, um alternative Indikatoren zu entwickeln, wie der Wohlstand der Volkswirtschaft Deutschland erhoben werden könne. Es wurden die sogenannten
W3-Indikatoren erarbeitet, doch noch werden sie nicht eingesetzt. Lediglich die Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN veröffentlicht seit dem vergangenen Jahr einen
Wohlstandsbericht, der alternativ zum jährlichen Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung auf weitere Wohlstandskennzahlen fokussiert.
Die Rahmenbedingungen blieben bislang nach wie vor dieselben: Als maßgeblich für den Erfolg eines Unternehmens gilt der Unternehmensgewinn, als maßgeblich für den Erfolg einer Volkswirtschaft gilt ihr Wachstum. Weitere Indikatoren, die im Rahmen eines CSR-(Corporate-Social-Responsibility-)Managements gewonnen werden, bleiben unverbindliche Schönwetterberichte, die allenfalls als „weiche“ Faktoren in die Unternehmensbewertung einbezogen werden. Sie sind ganz schick, werden aber oftmals lediglich zu Marketingzwecken verwendet und nicht als Instrumente, um die Nachhaltigkeit eines Unternehmens tatsächlich zu steigern. (Ein Beispiel zum Stichwort
Greenwashing: Die Volkswagen AG, deren Abgasskandal seit 2015 die nationale wie internationale Presse beschäftigt, führte jahrelang die Nachhaltigkeits-Rankings der Konzerne an.)
Ein Blick in unsere Verfassungen: Gemeinwohl als Zweck wirtschaftlicher Tätigkeit
Doch wie schafft nun die Gemeinwohl-Ökonomie „den Dreh“ weg von reinem Zahlenwerk hin zu den Werten, die für ein gutes Leben und ein gutes Wirtschaften wichtig sind? Sie lenkt mit der Gemeinwohl-Bilanz den Blick der Unternehmen wieder darauf, wozu ihre Tätigkeiten ursprünglich dienten: dem Gemeinwohl. Dies ist sogar in unseren Verfassungen festgehalten; in Artikel 151, Absatz 1 der Verfassung des Freistaates Bayern etwa heißt es: „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesondere der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle und der allmählichen Erhöhung der Lebenshaltung aller Volksschichten.“ Auch in Artikel 14, Absatz 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik ist festgehalten: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Es erstaunt, dass die Nichteinhaltung der Verfassungswerte ohne Konsequenzen möglich ist und bisher kaum hinterfragt wurde.
Mit Ethik zum Erfolg!
Die neue Logik für Unternehmen/Organisationen muss daher lauten: „Nicht wachsen, sondern Werte mehren.“ Im Mittelpunkt stehen dann nichtfinanzielle Aspekte, die jene mithilfe einer Gemeinwohl-Bilanz gegenüber allen Berührungsgruppen (LieferantInnen, GeldgeberInnen, MitarbeiterInnen, KundInnen, Gesellschaft) offenlegen, wodurch sie Vertrauen und Zustimmung für den Unternehmenszweck aufbauen. Durch werteorientiertes Management sichern sie auf diese Weise langfristig ihren Unternehmenserfolg – in seiner neuen Bedeutung – ab.
Die zentralen Parameter der Gemeinwohl-Bilanz sind in Form einer
Matrix mit insgesamt 17 Indikatoren zusammengefasst. Für den Prozess der Gemeinwohl-Bilanzierung steht Unternehmen unter anderem ein
umfassendes Handbuch zur Verfügung, das alle 17 Indikatoren ausführlich beschreibt und Leitfragen dazu formuliert. Die Gemeinwohl-Matrix und das zugehörige Handbuch wurden von erfahrenen AktivistInnen der Gemeinwohl-Ökonomie, dem Redaktionsteam, entwickelt und werden fortwährend aktualisiert.
Verschiedene Möglichkeiten der Gemeinwohl-Ökonomie-Bilanzerstellung: in Eigenregie, mit BeraterIn oder in einer Peergroup
Matrix und Handbuch stehen allen Unternehmen völlig kostenfrei und als Open-Source-Software zur Verfügung. Beides gibt es mittlerweile auch spezifisch für
Gemeinden; die
Gemeinwohl-Matrix wurde vom
Arbeitskreis Gemeinden ausgearbeitet. Jede und jeder, die/der die Gemeinwohl-Ökonomie kennenlernen, (Elemente davon) übernehmen und in ihre/seine tägliche Unternehmenspraxis Einblick geben will, ist herzlich eingeladen. Wer sich intensiver und systematischer mit dem Prozess der Gemeinwohl-Bilanzierung auseinandersetzen möchte, kann sich eine/einen
GWÖ-BeraterIn an die Seite holen und die Bilanz nach Fertigstellung auditieren lassen – so ist sie quasi „TÜV-geprüft“, und Unternehmen können mit ihr in die Öffentlichkeit gehen. Alternativ kann die Gemeinwohl-Bilanz in einer Peergroup, also gemeinsam mit mehreren UnternehmerInnen, erstellt werden. Die UnternehmensvertreterInnen geben sich dabei gegenseitig Feedback und Tipps für mehr Gemeinwohl-Orientierung in ihren jeweiligen Unternehmen.
Die Gemeinwohl-Ökonomie wurde bereits einige Male ausgezeichnet: Christian Felber erhielt im November 2015 in Spanien den nationalen Umweltpreis
Premio Verde für die Entwicklung und Initiierung derselben. Die Sommerakademie
Alternative Economic and Monetary Systems (AEMS), ausgerichtet vom Österreichischen Austauschdienst (OEAD) und der GWÖ, erhielt den Umweltpreis der Stadt Wien.
Die Akteure der Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung: von Regionalgruppen und Vereinen über Unternehmen bis hin zu Gemeinden und Behörden
Die fünf Jahre junge Bewegung der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) fächert sich in verschiedene Teilbereiche und Akteure auf: Die Bewegung als Ganzes, Unternehmen, Bundesbehörden, Gemeinden, institutionelle Politik, Bildung.
Die Bewegung als Ganzes
- Die Idee hat mittlerweile in zwanzig Ländern Verbreitung gefunden. Es existieren ungefähr 100 GWÖ-Regionalgruppen (Energiefelder genannt), die sie weiterverbreiten.
- Mittlerweile gibt es 18 GWÖ-Vereine. Die GWÖ hat in zwanzig Ländern Verbreitung gefunden, es liegen Einladungen aus Serbien, den Niederlanden, Norwegen, Schweden und Hongkong vor. Im Herbst 2015 wurde die englische Ausgabe des Buches „Gemeinwohl-Ökonomie“(Felber 2010) vorgestellt, die mit einem Vorwort von Nobelpreisträger Eric Maskin versehen ist. Ferner bahnt sich gerade eine Kooperation zwischen dem Fonds Gross National Happiness (Bruttonationalglück-Fonds) des Königsstaates Bhutan und der Gemeinwohl-Ökonomie an.
- Über die soziale Zusammensetzung der Aktiven liegen bisher keine Erhebungen vor. Was sich jedoch feststellen lässt, ist, dass der Anteil der AktivistInnen mit akademischem Hintergrund deutlich erhöht ist.
Unternehmen
- Die Gemeinwohl-Ökonomie zählt momentan über 9000 UnterstützerInnen, davon 2000 Unternehmen. Hunderte von Unternehmen haben eine Gemeinwohl-Bilanz erstellt, 250 Unternehmen haben eine Gemeinwohl-Bilanz veröffentlicht – darunter sind so renommierte Unternehmen wie die Spardabank München eG, die Diakonie Deutschland und der Bioland-Verband, die Berliner Tageszeitung taz, der Bergsportausstatter VAUDE und die Sonnentor Kräuterhandels GmbH.
- In den vergangenen beiden Jahren haben einige Bilanzpressekonferenzen in Frankfurt am Main, Berlin und Hamburg stattgefunden, in denen Unternehmen gemeinsam ihre GWÖ-Bilanz präsentiert haben.
Gemeinden
- Eine Gemeinde wird zur Gemeinwohl-Gemeinde, indem sie den Gesamtprozess der Gemeinwohl-Ökonomie per Gemeinderatsbeschluss unterstützt und mindestens eine von fünf Aktivitäten umsetzt: 1. Erstellung einer Gemeinwohl-Bilanz für die Gemeinde, 2. Einladung an alle Unternehmen in der Region, 3. Erstellung eines kommunalen Gemeinwohl-Index, 4. Durchführen eines kommunalen Wirtschaftskonvents, 5. Zusammenschluss zu einer Gemeinwohl-Region. Der Verein zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie hilft bei der Vorbereitung des Gemeinderatsbeschlusses. Das Engagement der Gemeinde kann durch eigene Ideen und Initiativen ergänzt und verstärkt werden.
- Folgende Gemeinwohl-Gemeinden sind bisher auf verschiedene Weisen aktiv: Orendain im Baskenland wird offiziell Gemeinwohl-Gemeinde; der Salzburger Landtag bestellte ein Gutachten zur „Gemeinwohl-Modellregion Salzburg“; die spanische Gemeinwohl-Gemeinde Miranda de Azán wird beim Global Social Economy Forum 2016 in Montréal vorgestellt.
Institutionelle Politik
Auf der Ebene institutioneller Politik lassen sich einige weitere positive Initiativen und Entwicklungen ausmachen.
- So erarbeitete der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss eine Initiativstellungnahme pro GWÖ, über die am 17. September 2015 abgestimmt wurde: 86 Prozent stimmten mit Ja!
- Im Oktober und Dezember desselben Jahres durfte sich die Gemeinwohl-Ökonomie zwei Mal im Europäischen Parlament präsentieren.
- Im Südtiroler Landtag wurde die Förderung von Gemeinwohl-Unternehmen im öffentlichen Einkauf beschlossen, ebenso in Miranda de Azán in Spanien.
- Die Stadt Stuttgart fördert GWÖ-Projekte mit 100 000 Euro.
- Ebenfalls von Bedeutung ist, dass der spanische Bürgermeister von Muro de Alcoy, Rafa Climent, der sich bereits früh für die Gemeinwohl-Ökonomie einsetzte, im Juni 2016 zum Wirtschaftslandesrat von Valencia ernannt wurde.
Bildung
- Im Februar 2015 startete das Forschungsprojekt „Gemeinwohl-Ökonomie im Vergleich unternehmerischer Nachhaltigkeitsstrategien (GIVUN)“ an den Universitäten Kiel und Flensburg zur GWÖ-Bilanz in Großunternehmen; unter anderem sind drei DAX-Konzerne (Deutsche Post DHL Group, Otto Group und e-on) Forschungsgegenstand; das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt mit 600 000 Euro.
- Die Universität Barcelona hat einen Kooperationsvertrag mit dem katalanischen GWÖ-Gründungsverein unterzeichnet; die Ziele lauten: Forschung zur Gemeinwohl-Ökonomie; ein GWÖ-Lehrstuhl; eine Gemeinwohl-Bilanz für die Universität; und das Leben der GWÖ-Werte an der Universität.
- Auch die Universität Valencia wird einen Lehrstuhl Gemeinwohl-Ökonomie einrichten. An der Fachhochschule Burgenland ist ein MBA Gemeinwohl-Ökonomie geplant. Mit dem International Graduate Center (IGC) Bremen hat inzwischen die dritte Hochschule in der Bundesrepublik Deutschland eine GWÖ-Bilanz erstellt.
- Die Universität Santiago de Chile veranstaltete im Januar 2015 eine zweiwöchige GWÖ-Sommeruni.
- Auch auf schulischer Ebene tut sich etwas, und zwar in Österreich: Die Handelsakademie im 22. Wiener Gemeindebezirk startete 2015 mit dem Schulzweig HAK experience, in dem Gemeinwohl-Ökonomie gelehrt wird; zuvor stand in allen Kurse klassische Betriebswirtschaft auf dem Lehrplan. Außerdem erwähnt das österreichische Bildungsministerium in einem Erlass zur Wirtschafts- und VerbraucherInnenbildung an alle Landesschulräte die Gemeinwohl-Ökonomie als Beispiel alternativen Wirtschaftens.
Die Gemeinwohl-Ökonomie ist auf Kooperation angelegt – mit der Degrowth-Bewegung und ebenso mit vielen weiteren zivilgesellschaftlichen Strömungen
Eine der Allianzen, welche die Gemeinwohl-Ökonomie pflegt, beruht auf ihrer Geschichte: Sie ist aus der
Attac-Bewegung entstanden und daher unmittelbar mit ihr verbunden. Eines der Leitthemen, auf denen die Gemeinwohl-Ökonomie beruht, ist die Kooperation. So ist sie selbstverständlich auch auf Kooperation mit weiteren sozialen Bewegungen ausgerichtet – der Überzeugung folgend, dass es vielfältige Lösungen braucht, um die große Transformation gelingen zu lassen, und dass jede Teilströmung ihren spezifischen Beitrag zum Wandel leisten wird. Diese Grundhaltung ist im „Mosaik der Zukunft“ visualisiert (siehe Illustration). Dem „Mosaik der Zukunft“ liegt die Haltung zugrunde, dass ein umfassender gesellschaftlicher Wandel nicht allein durch das Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie realisiert werden kann, sondern dass es weiterer alternativer Ansätze und letztendlich einer Art „Allianz der Alternativen“ bedarf.
Bezüge zu anderen Initiativen und Bewegungen
Grundsätzlich ist die Gemeinwohl-Ökonomie lösungsorientiert, pragmatisch und positiv-konstruktiv ausgerichtet. Auch aufgrund ihrer kooperativen Haltung würde sie eine Vorgehensweise, die auf Konfrontation, Provokation und Protest beruht, nicht begrüßen.
Mit folgenden Ansätzen fühlt sie sich verbunden:
Themenbereich Wirtschaft:
- Economic Democracy;
- Gemeinschaftsgüter, Commons, Allmenden;
- Monetative;
- Netzwerk Économie Sociale (Frankreich/Belgien);
- Netzwerk Nachhaltige Ökonomie;
- ökosoziale Marktwirtschaft;
- Postwachstum;
- Participatory Economics: Ansätze dezentraler und partizipativer Planwirtschaft;
- Solidarische Ökonomie;
- Transition-Town, insbesondere REconomy.
Themenbereich Demokratie/Mitbestimmung:
- Bürger in Bewegung – für eine andere Welt;
- Ethify Yourself;
- Mehr Demokratie e. V.
Themenbereich Arbeit:
- Bedingungsloses Grundeinkommen;
- Neue Arbeit Neue Kultur (NANK);
- Vier-in-Einem-Perspektive.
Themenbereich globale Gerechtigkeit:
- Erd-Charta;
- Global Marshall Plan Initiative.
Von der GWÖ genutzte Methoden:
- Soziokratie;
- Holokratie;
- systemisches Konsensieren;
- gewaltfreie Kommunikation;
- Liquid Democracy;
- Open Space;
- Theory U.
Die Gemeinwohl-Ökonomie fühlt sich also mit vielfältigen Ansätzen und Strömungen verbunden. Viele dieser Strömungen beziehen sich positiv auf die Gemeinwohl-Ökonomie.
Kritik an der Gemeinwohl-Ökonomie
Es gibt jedoch auch kritische Stimmen, vor allem in Österreich (etwa durch die Wirtschaftskammer und die Julius-Raab-Stiftung). Auf der Webseite der Gemeinwohl-Ökonomie ist eine ausführliche Zusammenfassung der kritischen Auseinandersetzung zu finden.
1 Für die Gemeinwohl-Ökonomie hat die aus der Kritik resultierende Beschäftigung mit der eigenen theoretischen Grundlage viel Positives bewirkt. So konnten wir im Laufe der Debatte unsere Argumentationslinie schärfen und mehr Klarheit in der theoretischen Fundierung der Gemeinwohl-Ökonomie erzielen.
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Degrowth und Gemeinwohl – nicht die akademische Definition der Begriffe ist wichtig, sondern das, was wir uns gemeinsam darunter vorstellen
Degrowth und Gemeinwohl haben eine Gemeinsamkeit: Sie verbindet die Kritik daran, dass sowohl der Begriff Gemeinwohl als auch der Begriff Degrowth eher diffus als konkret seien. Dieser Mangel an Klarheit wird einerseits als Angriffsfläche genutzt, um die dahinterliegenden Konzepte in Frage zu stellen; andererseits stellt er ein Hindernis für die Durchsetzung der Idee beziehungsweise für deren Übernahme in den allgemeinen Sprachgebrauch dar. Mit der begrifflichen Offenheit geht die Verantwortung einher, möglichst klar zu kommunizieren, welche Anliegen, Werte und Ziele mit dem jeweiligen Begriff verbunden sind.
Gemeinwohl lässt sich nicht – ähnlich wie besseres Leben, Wohlfahrt oder Glück – allgemeingültig definieren. Daher schlägt die Gemeinwohl-Ökonomie auch keine solche Definition vor. Wer allerdings das Buch „Gemeinwohl-Ökonomie“ (Felber 2010) liest, erfährt von zwanzig Grundbausteinen einer Gemeinwohl-orientierten Wirtschaftsordnung, die alle demokratisch ermittelt werden müssen (dies gilt für die Bausteine jeder rechtsstaatlichen Wirtschaftsordnung). Einzig die unternehmerische Gemeinwohl-Bilanz und das volkswirtschaftliche Gemeinwohl-Produkt sind näher definiert, auch sie müssen aber demokratisch legitimiert werden.
Für die Degrowth-Bewegung stellt sich ebenso wie für die Gemeinwohl-Ökonomie die Aufgabe, den jeweiligen Begriff mit Leben zu füllen, ohne dabei zu versuchen, eine Begriffsdefinition herbeizuführen.
Die Gesellschaft braucht mehr Kooperation: Nur mit einem Schulterschluss aller alternativen Bewegungen und Konzepte können wir ein gute Leben für alle ermöglichen!
Ziel der Gemeinwohl-Ökonomie ist nicht die Durchsetzung eigener Inhalte, sondern die Organisation demokratischer Prozesse, um alle Schlüsselfragen einer Wirtschaftsordnung so breit wie möglich zu diskutieren und zu entscheiden. Sie möchte in den nächsten Jahren in einem möglichst breiten, partizipativ-demokratischen (Bottom-up-)Prozess die Regeln und Grenzen neu definieren, innerhalb deren sich die wirtschaftliche Tätigkeit von Unternehmen abspielt. Damit soll das Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen AkteurInnen – UnternehmensbesitzerInnen, ShareholderInnen, MitarbeiterInnen, ProduzentInnen und anderen – reduziert werden. Die wesentlichen Fundamente der Gemeinwohl-Ökonomie stellen dabei die Ziele und Werte der Verfassungen demokratischer Staaten dar. Derzeit findet sich keine Verfassung, die besagt, dass Geld oder die Mehrung des Kapitals Zweck des Wirtschaftens seien. Vielmehr gibt es, wie bereits erwähnt, Verfassungen, in denen das Gemeinwohl explizit als Ziel der wirtschaftlichen Tätigkeit verankert ist.
Die Gemeinwohl-Ökonomie wünscht sich eine Allianz vieler zivilgesellschaftlicher Strömungen, die sich für das gute Leben einsetzen. Die internationale Degrowth-Konferenz in Leipzig hat gezeigt, wie viele Alternativen inzwischen entwickelt und etabliert wurden. Auf der Mikroebene lassen sich zahlreiche Einzelinitiativen wie Urban Gardening, HaushüterInnenprojekte, Upcyling-Initativen, Tauschkreise, Selbstversorgungsprojekte ausmachen. Auf der Mesoebene finden sich Kampagnen, Kooperationen, Initiativen und alternativen Bewegungen zur Solidarischen Ökonomie, zu Commons, Transition-Towns, zur Gemeinwohl-Ökonomie, ebenso finden Workshops und Open Spaces beispielsweise zu Partizipation, Demokratie, Konsum, Schenkökonomie, Transport, Diversity, Ernährungssouveränität und bedingungslosem Grundeinkommen statt.
Wenn der Schulterschluss vieler zivilgesellschaftlicher Strömungen gelingt, ist ein umfassender gesellschaftlicher Wandel wahrscheinlich. Die Gesellschaft ist in Bewegung und immer mehr Menschen erkennen, dass sie auch jenseits von Wahlen eine Stimme und Macht zur Mitgestaltung haben.
Links
> Gemeinwohl-Ökonomie – Webseite
> Christian Felber – Webseite
> Kritische Diskussion um die Gemeinwohl-Ökonomie – Zusammenfassung auf der GWÖ-Webseite
Verwendete und weiterführende Literatur
Bauer, Joachim 2006.
Das Prinzip Menschlichkeit. Warum wir von Natur aus kooperieren. Hamburg: Hoffmann und Campe.
Bauer, Joachim 2008.
Das kooperative Gen. Evolution als kreativer Prozess. Hamburg: Hoffmann und Campe.
Eisenstein, Charles 2013.
Ökonomie der Verbundenheit. Wie das Geld die Welt an den Abgrund führte – und sie dennoch jetzt retten kann. München: Scorpio.
Felber, Christian 2010.
Die Gemeinwohl-Ökonomie. Eine demokratische Alternative wächst. Wien: Deuticke.
Kohn, Alfie 1992.
No Contest. The Case Against Competition. Boston: Houghton Mifflin Harcourt.
Scharmer, Otto 2014.
Theorie U. Von der Zukunft her führen, Presencing als soziale Technik. Heidelberg: Carl-Auer-Verlag.
Hüther, Gerald 2013.
Was wir sind und was wir sein könnten, Ein neurobiologischer Mutmacher. Frankfurt: S.Fischer.